Ich hatte gerade die heutige Ausgabe der Welt in der Hand; und neben einem sehr kritischen Artikel über Google und Facebook habe ich vorallem zwei Artikel über Twitter bei Seite gelegt. Bei beiden handelt es sich um die bekannte Microbloggingseite – aber es geht um sehr verschiedene Umfelder: die Litteratur der vergangenen Jahrhunderte, und Finanzen der Gegenwart (und der Zukunft!)
Ich habe gestern erst über die Informationsgesellschaft gebloggt. In seinem Buch The Age of the Infovore beschreibt Tyler Cowen unter Anderem, wie wir aus vielen kurzen Informationshäppchen (“small bits of information“) unser eigenes Informationsgemisch (“personal blend of interests“) kreiren. Twitter ist einer der Möglicheiten die sich uns als Filter für Informationen und Nachrichten bietet. Mann kann auch kurze Gedanken und Weisheiten twittern… und somit wird der Aphorismus wiederbelebt.
Das Leben ist kurz, die Kunst ist lang (Hippokrates, ca. 400 v. Chr.)
Ein Aphorismus ist ein Gedankensplitter, eine “rhetorisch zugespitzte, kurze Weisheit“, wie Matthias Heine, der Verfasser des Artikels, erwähnt. Französische Moralisten wie La Rochefoucauld, La Bruyère oder Blaise Pascal schätzten diese Art der philosophischen Kurzmitteilung, die aber im 20. Jahrhundert allmählich in Vergessung geriet. Sie wurde dann als “minderwertige Kunst [für] Halbphilosophen” bezeichnet. Heute leben die Kurzmitteilungen wieder auf, auch wenn es nicht immer philosophische Weisheiten sind. So twitterte der Comedian Dieter Nuhr vor einigen Tagen ein giftiges:
Am 24. 12. sinf mehr Leute vor dem Fernseher als in der Kirche! Dabei ist das Programm im TV nur geringfügig besser…
Ob Arthur Schopenhauer, einer der Seltenen, die eine Aphorismensammlung hinterlassen haben, zu seiner Zeit getwittert hätte, würde ich gerne wissen. Der Gedanke gefällt mir jedenfalls. Matthias Heine denkt zudem, dass “Oscar Wilde heute ein mit Sicherheit ein eifriger und geschätzter Twitterer [gewesen wäre] – genau wie es sein gegenwärtiger Stellvertreter auf Erden, der Schauspieler und Autor Stephen Fry ist“.

Schlüsselwörter in Tweets sollen die Stimmung an den Märkten erfassen (Bild via TheNewsTribune.com)
Der zweite Artikel ist nicht so humorvoll wie der, den ich hier drüber erwähne. Er berichtet aber über eine andere Facette von Twitter; nähmlich die, die Zukunft vorhersagen zu können. Studien haben gezeigt, dass Twitter bei der Prognose von Börsentendenzen helfen kann… so legt 2011 Derwent Capital Markets einen Hedgefond auf, der mit Hilfe von Twitter die Tendenzen der Aktienmärkte prognostizieren soll! “Die einzige Gefahr für uns ist, dass sich Twitter in Luft auflöst“, sagt dazu ein verantwortlicher Hedgefonds-Manager des londoner Unternehmens. Na dann